Der Mensch fängt nicht erst beim Abitur an / Wiederstand aus Südwestfalen erfolgreich / EU-Frühwarnmechanismus bei Verlust der Approbation von Ärzten als Konsequenz aus Ärzteskandalen in Bad Laasphe und Bad Fredeburg


Siegen - Zur EU-weiten Anerkennung von Berufsqualifikationen gibt es neue Regeln. Das Europaparlament verabschiedete am Mittwoch eine neue EU-Richtlinie, über die bereits eine Einigung mit den nationalen Regierungen (Rat) erzielt wurde. Die Ausbildung von Krankenschwestern und Krankenpflegern in Deutschland wird hiermit europaweit anerkannt. Dadurch können auch die südwestfälischen Krankenhäuser aufatmen, die sich in den vergangenen Monaten gemeinsam erfolgreich mit Dr. Peter Liese gegen ursprüngliche Pläne der Europäischen Kommission gewandt hatten. Diese sahen eine Mindestschulbildung für die Erlernung des Krankenpflegeberufs von 12 Jahren vor, was aber in Deutschland de facto Abitur als Zugangsvoraussetzung bedeutet hätte.

Zukünftig gibt es für die Anerkennung des Berufs der Krankenpflegerin und des Krankenpflegers zwei Möglichkeiten: Entweder eine 12-jährige allgemeine Schulbildung plus eine akademische Ausbildung oder eine mindestens 10-jährige allgemeine Schulbildung gefolgt von einer berufsfachschulischen Ausbildung, wie sie in Deutschland angeboten wird.

Gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Diakonie in Südwestfalen gGmbH, Dr. Josef Rosenbauer, dem Leiter der Krankenpflegeschule der Diakonie, Frank Fehlauer und dem Pflegedienstleiter des Diakonie Klinikums Wolfang Müller freut sich Dr. Peter Liese über das Abstimmungsergebnis: "In Deutschland haben wir gut ausgebildetes Personal durch das bewährte Modell der dualen Ausbildung in der Krankenpflege. Die ursprünglichen Pläne der Kommission hätten dieses Modell zerstört und den Pflegenotstand weiter erhöht, indem sie praktisch fünfzig Prozent der jungen Menschen vom Pflegeberuf ausgeschlossen hätte, da sie kein Abitur haben. Der Mensch fängt aber nicht erst mit dem Abitur an. Als Arzt habe ich mit vielen Krankenschwestern zusammengearbeitet und die gute Ausbildung und oft lange Berufserfahrung waren in vielen Situationen mehr wert als mein Abitur und mein Medizinstudium. Ich bin über daher sehr erleichtert, dass sich das Europäische Parlament hier mit seinen Forderungen durchsetzen konnte", so der heimische Abgeordnete.

Die neue Richtlinie sieht außerdem einen europäischen Frühwarnmechanismus für Ärzte vor. Hintergrund sind verschiedenen Ärzteskandale, die in den vergangenen Jahren publik wurden, wonach Ärzte aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auch in Südwestfalen ohne gültige Approbation tätig waren und schwere Behandlungsfehler begangen haben, so war zum Beispiel ein niederländischer Arzt in Bad Laasphe tätig, der in den größten medizinischen Strafprozess in der Geschichte der Niederlande verwickelt ist.

Dort soll er in mehr als 20 Fällen Patienten fälschlicherweise unheilbare Krankheiten attestiert haben. Nach Informationen der FAZ hatte das Krankenhaus in Enschede den Arzt 2003 entlassen, nachdem seine Abhängigkeit von Medikamenten bekannt worden war. Er soll auch Rezepte gefälscht und mehr als 80.000 Euro veruntreut haben. Ein offizielles Disziplinarverfahren gegen ihn wurde nie eröffnet. Auf Druck des Krankenhauses hatte der Arzt sich freiwillig aus dem Ärzteregister streichen lassen und darf daher seit 2006 nicht mehr in den Niederlanden praktizieren. In Deutschland galt seine Approbation aber weiterhin. Das Strafverfahren gegen den Mann ist ausgesetzt, da noch Zeugen aus Deutschland vernommen werden sollen.

Auch in einer Klinik in Bad Fredeburg wurde ein niederländischer Arzt, der in seinem Heimatland seine Zulassung freiwillig zurückgegeben hatte, im Vertretungsdienst beschäftigt. Mit ihm werden Todesfällen in Zusammenhang gebracht, die sich bei Operationen im Krankenhaus in Emmen in den Niederlanden ereignet hatten. Die niederländische Staatsanwaltschaft ermittelt schon einige Zeit gegen ihn. Auch in Deutschland war er bereits aufgefallen. Weil er bei einer Operation ein Tuch im Bauch des Patienten vergessen haben soll, wurde er bereits 2005 verurteilt.

Solche Fälle werden in Zukunft verhindert. "Die Europäischen Institutionen haben aus den Skandalen der vergangenen Jahre richtigerweise Konsequenzen gezogen und einen sogenannten Vorwarnungsmechanismus beschlossen, wonach alle Mitgliedsstaaten informiert und gewarnt werden, wenn ein Arzt die Zulassung in einem Land verliert. Hier ist ein Mehr Europa im Sinne der Patienten notwendig", so Liese.