Stichtagsregelung wäre guter europäischer Kompromiss

Eine Stichtagsregelung wäre ein guter Kompromiss im Streit um die Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen im 6. EU-Forschungsrahmenprogramm. Dies erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Bioethik der größten Fraktion im Europäischen Parlament  (EVP/ED) Dr. Peter Liese.

Am Donnerstag, dem 24. April 2003 findet ein interinstitutionelles Seminar zu diesem Thema in Brüssel statt. Vertreter von Ministerrat, Europäischem Parlament und Europäischer Kommission beraten  gemeinsam mit Experten über die Frage, wie nach Ablauf des einjährigen Moratoriums mit dieser umstrittenen Forschung aus Mitteln der EU verfahren werden soll. Die Frage hatte im letzten Jahr zu heftigen Kontroversen und sogar zur Verzögerung des 17,5 Milliarden Euro umfassenden 6. Forschungs-rahmenprogramms geführt. Letztendlich hatte sich der Ministerrat im September 2002 auf ein einjähriges Moratorium geeinigt. Das Seminar soll zur Vorbereitung der Entscheidung dienen, was nach Ablauf des Moratoriums geschehen soll.

Liese betonte, dass nach seiner persönlichen Meinung jegliche embryonale Stammzellforschung aus Mitteln der EU nicht gefördert werden sollte. "Dieses Thema ist so kontrovers und es gibt extreme Unterschiede in den nationalen Positionen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass die knappen Mittel für diese umstrittene Forschung verwendet werden sollen. Kommissar Busquin hatte im letzten Jahr bekannt gegeben, dass von den 15.000 Forscherteams, die Vorschläge zum 6. Forschungsrahmenprogramm eingereicht haben, sich nur 9 mit embryonalen Stammzellen beschäftigen. Von den anderen 14.991 können sehr viele Projekte nicht gefördert werden, obwohl sie wissenschaftlich höchsten Ansprüchen genügen" so Liese.

Der Mediziner befürchtet jedoch, dass eine solche Lösung nicht realistisch ist. Daher forderte er die Bundesregierung auf, energisch für eine Stichtagsregelung zu werben. An dieser Stichtagsregelung, wie sie z. B. in Deutschland oder für die öffentlich geförderte Forschung in den USA gilt, können zwar sowohl die Gegner, als auch die Befürworter berechtigte Kritik üben, sie ist jedoch als Kompromiss durchaus geeignet. Grundlagenforschung sei mit den bisher vorhandenen embryonalen Stammzelllinien durchaus möglich. Aus ethischer Sicht sei es ein Vorteil, dass der Anreiz zur Zerstörung von Embryonen entfalle. Außerdem sei es wichtig, die Methoden zur künstlichen Befruchtung  zu fördern, bei denen keine sogenannten "überzähligen" Embryonen entstehen.

Der Europäischen Kommission warf Liese vor, in der Frage sehr parteiisch zu sein. Der im Laufe des März aufgetauchte erste Entwurf, der sehr einseitig die embryonale Stammzellforschung unterstützte und das Potential adulter Stammzellen klein redete, zeige die wahre Denkweise der Europäischen Kommission. Durch die vielen öffentlichen Proteste, insbesondere aus Deutschland, sei der Entwurf abgeschwächt worden. Trotzdem sei es klar, dass die Europäische Kommission fast um jeden Preis Embryonenforschung fördern will. Daher sei es entscheidend, dass die Mitgliedstaaten, die kritisch dazu stehen, das heißt auch Deutschland, energisch für ihre Position eintreten.

Die Europäische Kommission kann das Europäische Parlament nach Ansicht Lieses nicht mehr für ihre relativ liberale Position in Anspruch nehmen. In einer Abstimmung am 10. April forderten 50 Prozent der Abgeordneten ein europaweites Verbot der verbrauchenden Embryonenforschung. Der Antrag wurde bei Stimmengleichheit zwar abgelehnt, "trotzdem ist es offensichtlich, dass das Europäische Parlament diese Forschung nicht unterstützt, denn wenn 50 Prozent für ein europaweites Verbot sind, wird sich sicherlich keine Mehrheit für eine finanzielle Unterstützung aus Mitteln der EU finden". so Liese.