Dr. Peter Liese: EP hat entscheidende Änderungen durchgesetzt. Als nächstes steht Regelung zu Tissue Engineering an

Der Ministerrat der Europäischen Union hat heute  formal die Änderungsanträge des Europäischen Parlaments zur Richtlinie über Qualität und Sicherheit für Zellen und Geweben angenommen.Die Richtlinie ist damit beschlossen und wird in Kürze im Amtsblatt veröffentlicht. Vor der zweiten Lesung im Dezember vergangenen Jahres hatte der Berichterstatter des Europäischen Parlaments, der deutsche Arzt Dr. Peter Liese, mit der italienischen Ratspräsidentschaft eine Einigung über Änderungen am gemeinsamen Standpunkt erzielt, die im Dezember vom Europäischen Parlament und jetzt vom Rat angenommen wurden.

Bei der Richtlinie geht es um die Regelung der Transplantation von allen Zellen und Geweben, also z.B. Hauttransplantation, Knochenmarkstransplantation oder die Behandlung von Knorpeldefekten mit adulten Stammzellen. Theoretisch fällt auch die Transplantation von embryonalen Stammzellen unter den Anwendungsbereich der Richtlinie, allerdings ist hier eine therapeutische Anwendung zumindest mittelfristig nicht in Sicht.

Das Europäische Parlament hatte im Frühjahr 2003 zahlreiche Änderungen an dem von der Kommission vorgelegten Richtlinienentwurf angenommen. Der Ministerrat hatte diese Änderungen bei der Beschlussfassung über den gemeinsamen Standpunkt im Sommer 2003 weitgehend ignoriert. In zähen Verhandlungen war es dem Parlament, vertreten durch den Berichterstatter Peter Liese, gelungen, einen Kompromiss mit dem Rat zu vereinbaren. Vor allem bei der zunächst sehr umstrittenen Frage der freiwilligen unentgeltlichen Spende und beim Handel mit unveränderten Zellen und Geweben gelang es dem Parlament, den Rat von seiner starren Haltung abzubringen und wesentliche Forderungen durchzusetzen.

Im jetzigen vom Rat angenommen Text heißt es, dass die Mitgliedstaaten anstreben müssen, die freiwillige und unentgeltliche Spende sicherzustellen. Ausnahmen, bei denen der Spender Kompensation erhalten darf, sind im Text beschrieben und müssen von den Mitgliedstaaten genau ausformuliert werden.

„Der jetzt vom Rat angenommene Text bedeutet gegenüber dem Kommissionsvorschlag und dem Gemeinsamen Standpunkt vom Sommer letzten Jahres einen wesentlichen Fortschritt. Zwar hätten wir als Parlament uns weitergehende Änderungen gewünscht, aber der Text stellt klar, dass eine Bezahlung für Zell- und Gewebespenden in Europa nicht akzeptabel ist. Das Anbieten von Zellen gegen hohe Geldbeträge im Internet, z.B. für Knochenmark oder Eizellen darf es in Zukunft in Europa nicht geben“, so der CDU-Abgeordnete Liese.

Dies wird auch durch eine weitere Änderung im ursprünglichen Text klargestellt, die besagt, dass die Beschaffung von Zellen und Geweben als solche auf nichtkommerzieller Basis stattfinden muss. Dazu Liese: „Das heißt im Klartext: Ein Handel mit Zellen und Geweben kann nur stattfinden, wenn diese in medizinische Produkte, z.B. in Arzneimittel umgewandelt worden sind. Zellen und Gewebe als solche dürfen nicht Gegenstand von Handel sein".

Weitere Änderungsanträge, auf die sich Rat und Parlament geeinigt haben, betreffen die Anonymität des Spenders. Hier ist klargestellt, dass die Aufhebung der Anonymität nur in Ausnahmefällen,  zum Beispiel Gametenspenden,  möglich ist.  "Damit tragen wir der Situation Rechnung, dass in manchen Ländern z.B. auch in Deutschland, die Kinder das Recht haben,  ihre genetischen Eltern kennenzulernen. Hier kann man nicht auf die Anonymität bestehen" so Liese. Das Parlament konnte auch durchsetzen, dass es bei der Änderung der wichtigen politischen Anhänge (Information des Spenders) auch in Zukunft Mitentscheidungsrecht hat.

Die Forderung des Parlamentes  nach einem Verbot der Transplantation von geklonten Embryonen und daraus gewonnen Zellen war für den Rat nicht akzeptabel. Das Parlament hält zwar weiterhin an seiner Auffassung zu diesem Thema fest, wollte aber die Einigung über die wichtige Richtlinie nicht mit dieser Forderung belasten. Allerdings haben sich Rat und Parlament auf einen Änderungsantrag geeinigt, der die spezifischen Gesundheitsrisiken von embryonalen Stammzellen thematisiert.

Es wird anerkannt, dass zum Beispiel das Krebsrisiko, das mit der Transplantation von embryonalen Stammzellen verbunden ist, nicht gelöst ist. "Nach meiner Auffassung widerspricht es den Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen der Richtlinie, wenn man embryonale Stammzellen auf den Menschen überträgt. Zum Glück hat dies auch noch niemand auf der ganzen Welt probiert. In die Richtlinie haben wir insofern eine zusätzliche Warnung eingebaut", so Liese.  Selbstverständlich können die Mitgliedsstaaten an strengeren nationalen Vorschriften festhalten.

Der letzte umstrittene Punkt war die Regelung zum Thema  Organe. Das Parlament besteht nach wie vor darauf, dass neben der Richtlinie über Blut und der jetzt angenommenen Richtlinie über Zellen und Gewebe auch eine Regelung zur Qualität und Sicherheit von Organen angenommen wird. Die Kommission hat sich verpflichtet, dieses Thema zu untersuchen und dabei auch die Knappheit von Organspendern zu berücksichtigen. Der Rat hat sich darüber hinaus verpflichtet,  die Bekämpfung des illegalen Handels mit Organen voranzutreiben.

Als nächstes werden Rat und Parlament über einen Vorschlag der Generaldirektion Unternehmen diskutieren, der Produkte im Bereich des Tissue Engineerings regulieren soll. Analog zu Arzneimitteln sollen diese Produkte Fall für Fall, wahrscheinlich von der Europäischen Arzneimittelagentur in London, zugelassen werden. Liese begrüßt die Arbeiten der Kommission auf diesem Gebiet und erwartet den entsprechenden Kommissionsvorschlag noch in diesem Jahr. Wichtig ist aus seiner Sicht, dass auch hier ein ethischer Rahmen vorgegeben wird.