Peter Liese: Vorrang für 2035-Ziel wegen internationalem Prozess / China und Indien warten auf Europa / Klima immer noch sehr ernstes Thema

„Das 90%-Ziel für die Reduktion von Treibhausgasen, das die Europäische Kommission für 2040 vorschlagen will, ist extrem ehrgeizig und ich glaube nicht, dass wir es unterstützen können, wenn nicht größere Flexibilitäten eingebaut werden“, sagte Peter Liese, Sprecher für Klimafragen der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP, Christdemokraten). Liese kritisierte, dass die Folgenabschätzung der Kommission nicht wirklich seriös sei, weil dort steht, dass 88% Emissionsreduktionen bereits durch Umsetzung bestehender Gesetzgebung erreicht werden können.




Quelle: Folgenabschätzung der Europäischen Kommission zum 2040-Ziel (06.02.2024): https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:6c154426-c5a6-11ee-95d9-01aa75ed71a1.0001.02/DOC_1&format=PDF (S. 23/24).

„In der Folgenabschätzung wird davon ausgegangen, dass es ab 2039 keine Emissionen mehr aus den ETS1-Sektoren geben wird. Dies ist bereits für den Stromsektor schwierig und für die Industrie fast unmöglich, für den Luftverkehr, der ebenfalls Teil des ETS1 ist, jedoch eindeutig unmöglich. Deshalb müssen wir entweder niedrigere Ziele festlegen oder größere Flexibilitäten einführen“, sagte Liese.

Andererseits betonte der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese, dass der Klimawandel nach wie vor ein sehr ernstes Thema ist, in Europa und darüber hinaus: „Wir haben gerade den wärmsten März in der europäischen Geschichte erlebt, und schon jetzt kehrt in Mitteleuropa die Dürre zurück. Wir sind bereits spät dran, unser Ziel für 2035 im internationalen UNFCCC-Prozess einzureichen. Viele Länder wie Kanada, Brasilien, Japan und das Vereinigte Königreich haben bereits Zusagen gemacht. Andere Länder wie China und Indien warten auf die Europäische Union. Deshalb ist es wichtig, rechtzeitig vor der COP30 in Belem im Dezember dieses Jahres ein EU-Ziel für 2035 vorzulegen.“

Viele Experten sprechen inzwischen davon, internationale Zertifikate in die EU-Klimapolitik miteinzubeziehen, so Liese: „Dabei gibt es natürlich Herausforderungen, denn in der Vergangenheit waren diese internationalen Gutschriften eher eine Geldmaschine für China als wirklich hilfreich für den Klimaschutz. Sie können auch nur eine Übergangslösung sein, denn am Ende müssen alle Länder der Welt schließlich klimaneutral sein.“

Liese hob die Herausforderungen für die Unternehmen in Europa hervor und betonte, dass Überlegungen zur Einbeziehung von Zertifikaten aus Drittstaaten von großem Nutzen seien: „Manchmal im Leben sind Minus und Minus gleich Plus. Das größte Chemieunternehmen Europas, BASF in Ludwigshafen, hat beispielsweise die Dekarbonisierung seines Werks geplant, hatte aber keine Lösung für die verbleibenden 3 bis 4 % Restemissionen, was einer der Gründe ist, warum dieser Plan noch nicht umgesetzt wurde. Zementwerke in Gebieten, die weit von Möglichkeiten zu CO2-Speicherung (CCS) entfernt sind, stehen ebenfalls vor der Herausforderung, bis 2039 komplett klimaneutral zu werden. Eine Einbeziehung einer begrenzten Menge an qualitativ hochwertigen Zertifikaten aus Drittstaaten kann eine Lösung für die Industrie sein, und sie kann auch die Lösung sein, um einen Kompromiss auf EU-Ebene zu erreichen.“

Liese betonte: „Sollte jemals ein 90%-Ziel für 2040 in Betracht gezogen werden, so müssen gleichzeitig die oben genannten Flexibilitäten geschaffen werden. Darüber hinaus müssen wir so bald wie möglich negative Emissionen in das EU-Emissionshandelssystem aufnehmen, den Clean Industrial Deal vollständig umsetzen und viele weitere Rahmenbedingungen schaffen. Sehr wichtig ist auch eine viel stärkere und gezielte Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger sowie eine Belohnung für Landwirte für Maßnahmen zur CO2-Aufnahme aus der Atmosphäre und Reduzierung von Klimagasen.“