Peter Liese & Christian Ehler: Ohne Flexibilität wird es kein Klimaziel für 2040 geben / Deutschland gehört zu den ambitionierten Mitgliedstaaten in der Debatte / Voraussetzungen für die Industrie schaffen ist unverzichtbar für jedes Klimaziel
„Wir halten es für sehr gefährlich, die Europäische Kommission oder die deutsche Bundesregierung zu kritisieren, weil sie für Flexibilität beim Erreichen des 2040-Ziel der Europäischen Union eintreten. Wir sehen weder im Parlament noch im Rat eine Mehrheit für ein 2040-Ziel ohne Flexibilität. Noch wichtiger ist, dass Europa endlich die Voraussetzungen schafft, um ein 2040-Ziel überhaupt zu erreichen, zum Beispiel für den Ausbau von Infrastruktur für Wasserstoff, CCS und preiswerten Strom“, sagten Peter Liese, Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP, Christdemokraten) für Klimafragen, und Christian Ehler, Sprecher derselben Fraktion für Industrie, Energie und Forschung. Die EVP-Fraktion hat noch keine offizielle Position festgelegt, die beiden Abgeordneten äußerten jedoch vor Journalisten ihre persönlichen Ansichten.
Am Mittwoch wird die Europäische Kommission ihren Legislativvorschlag für das Klimaziel für 2040 vorlegen. In einem Entwurf, der über das Wochenende in Brüssel zirkulierte, steht, dass das Ziel wie angekündigt bei 90% liegt, aber dass 3% des Ziels durch Reduktionsanstrengungen außerhalb der Europäischen Union erreicht werden können, so genannte Artikel-6-Gutschriften gemäß dem Pariser Klimaabkommen. Auch andere Flexibilitäten sind in dem Entwurf enthalten. Die 3% Zielerreichung außerhalb Europas entspricht der Position der deutschen Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag festgelegt wurde.
„Ich erkenne die Herausforderungen, die internationale Credits mit sich bringen, und natürlich müssen wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Betrug muss vermieden werden, und es ist nur eine teilweise und zeitlich begrenzte Lösung, denn eines Tages müssen schließlich alle Staaten der Welt klimaneutral sein. Andererseits können hochwertige Emissionsgutschriften aus Drittländern die Kosten senken, und Artikel 6 des Pariser Abkommens hat seinen Sinn: Der Mechanismus kann zusätzliche Mittel für Drittländer mobilisieren. Deutschland gehört innerhalb der Europäischen Union zu den ambitionierten Staaten. Viele Staaten haben sich noch nicht zu den 90% bekannt. Die Staats- bzw. Regierungschefs von Frankreich, Polen und Italien (Macron, Tusk und Meloni) haben in der letzten Woche sogar vorgeschlagen, dass die EU ganz auf ein 2040-Ziel verzichtet“, erklärte Liese.
„Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft steht derzeit unter enormem Druck. Weitere umwelt- oder klimapolitische Maßnahmen ohne korrespondierende Maßnahmen, die Wettbewerbsfähigkeit steigern, sind mit uns nicht zu machen. In der derzeitigen Situation erreichen wir die Klimaziele höchstens durch Deindustrialisierung - um dem entgegen zu wirken, muss die Kommission neben dem Klimaziel als Paket die richtigen Weichen stellen: Ausbau von Energieinfrastruktur, Abbau regulatorischer Hürden, und eine Vervollständigung des Binnenmarktes müssen zur Priorität werden.“, erklärte Ehler.
Beide Politiker betonten die Notwendigkeit, den internationalen Prozess am Leben zu erhalten: „Trump ist aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen, aber bisher ist ihm niemand gefolgt. Selbst Argentinien unter Präsident Javier Milei bleibt im Pariser Abkommen, vor allem wegen des Mercosur-Abkommens, das das Pariser Abkommen zur Voraussetzung hat. Es ist wichtig, dass die Europäische Union ein ehrgeiziges NDC für 2035 vorlegt, um den internationalen Prozess am Laufen zu halten und insbesondere China und andere Länder zu motivieren, selbst ehrgeizige Reduktionsziele vorzulegen.“