Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments nimmt Kommissionsvorschlag mit einigen Änderungen an

Der Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Europäischen Parlament hat den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei Kindern mit einigen Änderungsanträgen angenommen.

Grund für den Vorschlag ist, dass viele Arzneimittel nicht für Kinder zugelassen sind, obwohl sie für die Behandlung von Kindern nützlich sein können. Die Ursache dafür ist, dass keine ausreichenden wissenschaftlichen Untersuchungen im Hinblick auf die Anwendung an Kindern vorliegen. In der Praxis werden die Arzneimittel oft trotzdem angewandt. Zum Teil nimmt man einfach die Hälfte der für Erwachsene wissenschaftlich herausgefundenen Dosis.

Kinder sind aber keine kleinen Erwachsenen. Sie haben spezielle Bedürfnisse und zum Beispiel einen anderen Stoffwechsel. Deshalb ist das Vorgehen, das zur Zeit in vielen Praxen und Kliniken stattfindet, auf Dauer nicht zu akzeptieren.

Für die mangelnde Arzneimittelsicherheit bei Kindern gibt es im wesentlichen zwei Ursachen:

Erstens wird ein ethisches Problem darin gesehen, Kinder in wissenschaftliche Untersuchungen mit einzubeziehen. Hierzu hat das Europäische Parlament schon im Jahr 2002 einen umfassenden Kriterienkatalog beschlossen. Nur Untersuchungen, die zwingend notwendig sind, um die Gesundheit von Kindern zu verbessern, sind zulässig und es müssen zunächst alle Alternativen ausgeschöpft werden. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist die Forschung geradezu ethisch geboten, da die derzeitige Situation schon zum Tod von Kindern geführt hat.

Der zweite Punkt für die mangelnde Arzneimittelsicherheit liegt darin, dass sich für die pharmazeutische Industrie die Forschung im Hinblick auf die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen bei Kindern nicht rechnet. Kranke Kinder stellen ein relativ kleines Kollektiv dar und deshalb sind die Umsätze in diesem Bereich oft geringer als die Ausgaben für die notwendige Forschung. Das Thema ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch bei strenger Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips die Notwendigkeit europäischen Handelns offensichtlich ist. Im Gegensatz zu den USA ist der Markt in den einzelnen EU-Mitgliedsländern zu klein, um das Problem zu lösen. Nur eine europäische Lösung kann helfen.

Der Vorschlag der Europäischen Kommission sieht zur Lösung dieses Problems eine Mischung aus Verpflichtungen und Anreizen vor. Die pharmazeutischen Unternehmen werden in Zukunft bei jeder Zulassung eines Arzneimittels gezwungen, auch die Wirkung bzw. die Nebenwirkung im Hinblick auf Kinder zu untersuchen. Ausnahmen können nur gemacht werden, wenn das Arzneimittel aufgrund einer Entscheidung eines wissenschaftlichen Ausschusses offensichtlich nicht nützlich für Kinder ist (zum Beispiel Mittel zur Behandlung von Alzheimer). Als Kompensation für die zusätzliche Belastung und als Anreiz für Hersteller von Arzneimitteln, die bereits zugelassen sind, schlägt die Europäische Kommission eine zusätzliche Marktexklusivität (zum Beispiel Verlängerung des Patents) für sechs Monate vor. Das heißt, die billigen Nachahmerprodukte (Generika) können entsprechend später auf den Markt kommen.

Der Vorschlag der Europäischen Kommission wurde von einer Mehrheit im zuständigen Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit angenommen. Fast alle Abgeordneten waren sich einig, dass eine Kombination aus Verpflichtungs- und Anreizsystem angemessen ist. Streit gab es jedoch um die Länge der zusätzlichen Frist. Herstellern von billigen Nachahmerprodukten (Generika) erschien die Frist von sechs Monaten zu lang und sie überzeugten viele Abgeordnete, Anträge zur Verkürzung der Frist einzureichen.

Einigen Abgeordneten von Liberalen und Christdemokraten erschien die Sechsmonatsfrist insbesondere für seltene Erkrankungen zu gering, weshalb sie abhängig von den Umsätzen des Arzneimittels eine Verlängerung auf bis zu acht oder zehn Monate vorgeschlagen hatten. Der Ausschuss nahm keinen der entsprechenden  Änderungsanträge an, so dass es weder eine Verkürzung noch eine Verlängerung der Sechsmonatsfrist geben wird.

Jedes Anreizsystem, ob drei, vier, sechs, acht oder zehn Monate, ist besser als der jetzige Zustand, in dem Forschungen im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit bei Kindern praktisch nicht honoriert werden. Ob der Kommissionsvorschlag in der Praxis ausreicht, um alle notwendigen Forschungen zu unterstützen, wird die Zukunft zeigen.

Parlament will mehr Forschung im Bereich der Altarzneimittel

Die wesentliche Änderung, die der Ausschuss beschlossen hat, betrifft Arzneimittel, für die es schon keinen Patentschutz oder ähnlichen Schutz mehr gibt. Arzneimittel, bei denen die Generika bereits auf dem Markt sind, werden von dem Vorschlag praktisch nicht erfasst. Daher schlagen die Abgeordneten ein Programm mit dem Titel "MICE - Medicines Investigation for the Children of Europe" vor. Innerhalb des 7. Forschungsrahmenprogramms sollen erhebliche finanzielle Mittel zur Erforschung dieses Sektors zur Verfügung gestellt werden.

Viele Probleme, die ich in der Praxis erlebt habe, beziehen sich auf Arzneimittel, die heute schon keinen Patentschutz mehr haben. Der Vorschlag der Europäischen Kommission würde daher keine Besserung mit sich bringen. Deshalb muss man zusätzlich zu dem ersten Schritt, den die Kommission vorschlägt und der die neueren Arzneimittel abdeckt, auch den zweiten Schritt tun und die älteren Arzneimittel durch Forschung sicherer für Kinder machen.