Peter Liese und Oliver Schenk: Steigender Bedeutung grenzüberschreitender Gesundheitspolitik Rechnung tragen / Prioritäten: Bekämpfung der Arzneimittelknappheit, Entbürokratisierung der Medizinprodukteverordnung sowie Kampf gegen Krebs und kardiovaskuläre Erkrankungen


Das Europäische Parlament hat in seiner Plenarsitzung in Straßburg die Schaffung eines eigenständigen Ausschusses für Gesundheit beschlossen. Der Ausschuss wird die Gesundheitskompetenzen vom bisherigen Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) übernehmen. Er ist für Gesundheit im engeren Sinne zuständig, das heißt, nicht für die Grenzbereiche von Umwelt und Gesundheit, die im bisherigen ENVI-Ausschuss verbleiben.


„Mit der Schaffung eines eigenen Gesundheitsausschusses tragen wir der zunehmenden Bedeutung des Themas Rechnung. Die Coronapandemie hat gezeigt, dass Viren nicht an der Grenze haltmachen und wir gemeinsam erfolgreicher sind. Die Pandemie wurde vor allem durch einen in Deutschland mit Hilfe der Europäischen Union entwickelten Impfstoff überwunden. Zwischen den ersten Schritten bei der Firma BioNTech in Mainz und der Zulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur verging weniger als ein Jahr. Schon 2018 hatte die EVP-Fraktion mit einem Plan zur Bekämpfung von Krebs ein gesundheitspolitisches Thema in den Vordergrund gerückt. Mittlerweile haben nicht nur alle Fraktionen im Europäischen Parlament, sondern auch die Kommission und der Ministerrat erkannt, wie wichtig europäisches Handeln bei der Krebsbekämpfung ist“, betont der CDU-Europaabgeordnete und Arzt Dr. med. Peter Liese.


Der bisherige Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hatte in der vergangenen Periode 25 % der Gesetzgebungsverfahren des Europäischen Parlaments in seiner Kompetenz. „Das war extrem viel, und es hat insbesondere auch durch die mangelnde Priorität, die der frühere Ausschussvorsitzende dem Thema Gesundheit gegeben hat, dazu geführt, dass wir nicht ausreichend Zeit für die Diskussion gesundheitspolitischer Themen hatten. Dies wird sich nun ändern“, erklärte Liese.


Oliver Schenk, der CDU-Abgeordnete aus Sachsen, fügt hinzu: „Die Erfahrungen mit der COVID-19-Pandemie haben uns vor Augen geführt, wie wichtig qualitative öffentliche Gesundheit, aber auch die Koordination zwischen den europäischen Ländern ist. Das gilt jedoch nicht nur für Krisen, sondern auch in normalen Zeiten. Eine enge Zusammenarbeit und ein offener Dialog sind deshalb jetzt unerlässlich, um die richtigen Schlussfolgerungen aus der Pandemie zu ziehen und das Vertrauen in die Wissenschaft und die Akteure des öffentlichen Gesundheitssystems wiederherzustellen. Die Schaffung eines eigenständigen Gesundheitsausschusses ist ein richtiger Schritt, um diesem Thema den ihm gebührenden Stellenwert einzuräumen.


Für den ehemaligen Chef der Sächsischen Staatskanzlei und Abteilungsleiter für Grundsatzfragen und Telematik im Bundesgesundheitsministerium sei die Neuaufstellung im Europäischen Parlament ein Versprechen für eine ganz neue Qualität und Effektivität in Europa.    


Peter Liese, der die Verhandlungen über die genauen Kompetenzen des Ausschusses mit den Sozialdemokraten und Liberalen geführt hatte, erläuterte, wofür der Ausschuss im Einzelnen zuständig ist:


Das Parlament präzisierte darüber hinaus, dass die Kompetenzen des verbleibenden Ausschusses für Umwelt und Lebensmittelsicherheit nicht nur für die reinen umweltpolitischen Themen, sondern auch für Themen im Grenzbereich von Umwelt und Gesundheit im bisherigen sogenannten ENVI-Ausschuss verbleiben. Dazu gehören beispielsweise die Umweltgesetzgebung zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, wie die Luftqualität, Regelungen zum Pflanzenschutz und die Lebensmittelkennzeichnung.


Prioritäten der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten) sind unter anderem die Fortführung des Aktionsplans zur Krebsbekämpfung, die Schaffung eines neuen Aktionsplans gegen kardiovaskuläre Erkrankungen und die Entbürokratisierung der Medizinprodukteverordnung. „An allererster Stelle steht jedoch die Bekämpfung der Arzneimittelknappheit. Es ist unerträglich, dass Patienten in der Apotheke immer wieder hören, dass ihr Medikament nicht verfügbar ist. Dadurch entstehen gesundheitliche Schäden, und vor allem wird viel Arbeitszeit von hochbezahltem medizinischem Personal verschwendet. Patienten müssen oft nur wegen der Knappheit von Arzneimitteln länger im Krankenhaus liegen. Wir sind sehr froh, dass Ursula von der Leyen angekündigt hat, in den ersten 100 Tagen der neuen Kommission einen sogenannten Critical Medicines Act auf den Weg zu bringen, der Europa helfen wird, dieses Problem anzupacken“, betonte der Arzt und Europaabgeordnete.