Die EU hat das Problem nicht verursacht, kann aber sehr zur Beseitigung beitragen
„Die Europäische Kommission wird am Dienstag einen umfassenden Gesetzesvorschlag zur Beseitigung der Knappheit von Arzneimitteln vorlegen“, kündigte der CDU-Europaabgeordnete und Arzt Dr. Peter Liese am Montag gegenüber Journalisten an. Der Gesetzesvorschlag enthält Maßnahmen zur schnelleren Genehmigung der Arzneimittelproduktion in der EU sowie Vorgaben zur Bevorzugung von in der EU hergestellten Arzneimitteln, zur Ausschreibung, zur Lagerhaltung und zur internationalen Kooperation.
„Ich begrüße sehr, dass sich die Europäische Kommission innerhalb der ersten 100 Tage nach ihrem Amtsantritt um dieses brennende Thema kümmert. Oft hören Patientinnen und Patienten in der Apotheke oder im Krankenhaus: ‚Das Medikament ist nicht lieferbar.‘ Das führt nicht nur zu Frustration bei den Patienten, sondern auch zu unnötiger Mehrarbeit des medizinischen Personals und leider auch zu Komplikationen. Die EU hat dieses Problem nicht verursacht – das waren die Mitgliedstaaten, die jahrelang nur auf den Preis geachtet haben. Dies hat dazu geführt, dass Arzneimittel fast ausschließlich in Indien und China hergestellt werden. Die EU kann jedoch einen wesentlichen Beitrag zur Lösung leisten“, so Liese.
Im Einzelnen erwartet Liese folgende Elemente des Vorschlags:
1. Erleichterung der Zulassung von Arzneimittelproduktionen.
„Es kann nicht sein, dass der Bau einer neuen Fabrik für Arzneimittel zehn Jahre dauert. Die Genehmigungsverfahren müssen beschleunigt werden, und wir haben dies im Bereich der Klimatechnologien wie Batterien oder erneuerbaren Energien bereits beschlossen. Der sogenannte Net-Zero-Industrie-Act kann ein Vorbild für die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren bei Arzneimitteln sein.“
2. Europaweite Vorschriften zur Lagerhaltung von Medikamenten.
„Es macht keinen Sinn, wenn jedes Mitgliedsland einzeln wichtige Arzneimittel bevorratet – das sollten wir gemeinsam europäisch organisieren. Im Fall von Katastrophen, Pandemien oder Kriegen müssen wichtige Arzneimittel verfügbar sein. Mit der Lagerhaltung muss man allerdings zunächst vorsichtig beginnen, da sonst in der jetzigen Phase die Knappheit sogar noch zunehmen könnte.“
3. Internationale Kooperation.
„Es ist geplant, strategische Arzneimittelpartnerschaften mit Drittstaaten, z. B. auf dem Balkan, in Großbritannien oder Südamerika, einzugehen. Nicht alle Medikamente lassen sich auf Dauer vollständig in Europa herstellen. Aber neben China und Indien brauchen wir weitere Lieferländer.“
4. Gemeinsame Beschaffung.
„Wie bei den Corona-Impfstoffen wird von der Kommission vorgeschlagen, dass die europäischen Mitgliedstaaten stärker zusammenarbeiten, um Medikamente zu beschaffen. Dies stößt bei einigen großen Mitgliedstaaten, auch in Deutschland, noch auf Widerstand. Als Europaabgeordneter bin ich jedoch dafür – insbesondere für kleine Mitgliedstaaten ist es sonst schwierig, die notwendigen Medikamente zu vernünftigen Preisen zu bekommen.“
5. Anreize zur Rückverlagerung der Produktion in die EU durch bessere Vergütung für Medikamente, die in der EU produziert werden.
„Dies ist aus meiner Sicht der wichtigste Punkt. Wie bereits erwähnt, ist das Problem dadurch entstanden, dass die Produktion in Europa nicht ausreichend honoriert wurde. Es muss von den Kostenträgern, z. B. den Krankenkassen in Deutschland, honoriert werden, wenn Medikamente in der EU produziert werden. Die Vorschläge des noch amtierenden Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach waren hier nur Stückwerk. Erstens bezogen sich die Vorschläge nur auf wenige Arzneimittel, und zweitens waren sie nicht europäisch abgestimmt. Wir brauchen die Marktmacht von 450 Millionen Menschen, damit sich die Produktion in Europa wieder lohnt. Das wird zwar Geld kosten, aber ich bin überzeugt, dass das Gesundheitssystem unterm Strich Kosten einsparen wird. Erstens entfällt für das medizinische Personal viel Arbeitsaufwand, da es nicht ständig nach Alternativen suchen und Medikamenten hinterhertelefonieren muss. Zweitens lassen sich ganz konkret Krankenhausaufenthalte vermeiden, wenn Medikamente zur Verfügung stehen. Ich war selbst bei einem Arbeitseinsatz in der Kinderklinik Paderborn Zeuge davon, dass einige Kinder nur stationär aufgenommen wurden, weil es keinen Antibiotikasaft gab. Ein Tag in der Kinderklinik kostet 300-mal mehr als eine Flasche Antibiotikasaft“, bekräftigte Liese abschließend.