Erwägungsgrund hat keine rechtliche Bewandtnis / Die Bundesregierung hat sich benommen wie ein Elefant im Porzellanladen und unter dem Strich nichts erreicht / Deutschland hat durch zu späte, unabgestimmte Forderungen Brandsatz in die europäischen Klimaschutzverhandlungen geworfen


„Das Verbot des Verbrennungsmotors ist entgegen der Aussage von Bundesverkehrsminister Volker Wissing und anderen FDP-Politikern keinesfalls vom Tisch, sondern heute Nacht mit Zustimmung Deutschlands beschlossen worden. Erreicht wurde lediglich eine rechtlich unverbindliche Klarstellung in einem sogenannten Erwägungsgrund, dass die Europäische Kommission den Einsatz synthetischer Kraftstoffe prüfen soll und ggf. einen Vorschlag macht und dies ist noch nicht einmal der Text, auf den sich die Bundesregierung nach viel Theater am Dienstag geeinigt hatte, sondern ein wesentlich schwächerer Text. „Insgesamt hat Deutschland durch zu späte und unabgestimmte Vorschläge die Einigung zum größten Klimaschutzpaket aller Zeit erschwert. Man kann sogar sagen, dass sich die Bundesregierung wie ein Elefant im Porzellanladen benommen hat, unter dem Strich aber nichts erreicht hat“, dies erklärte der umweltpolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament, Peter Liese, angesichts der Einigung im Ministerrat zum Klimaschutzpaket Fit for 55.

Nach heftigem Streit hatte die Bunderegierung sich gestern auf eine gemeinsame Position geeinigt. Diese Position bedeutet de facto, dass man dem Verbrennerverbot für 2035 zustimmt. Dies haben die Umweltminister dann in der Nacht auch mit Mehrheit beschlossen. Deutschland hatte auf einen Erwägungsgrund gedrängt, der Technologieoffenheit auch innerhalb der CO2 Flottengrenzwerte ermöglicht hätte. Dies konnte aber nicht durchgesetzt werden. Es gibt lediglich einen Erwägungsgrund der synthetischen Kraftstoffe für Fahrzeuge außerhalb der Flottengrenzwerte (z.B. Polizei, Feuerwehr, Militär) ins Auge fasst. Selbst dies ist keineswegs beschlossen, sondern es ist nur ein Prüfauftrag an die Europäische Kommission. In der Revisionsklausel, die rechtlich verbindlich ist, sind synthetische Kraftstoffe überhaupt nicht erwähnt.

Allerdings wurde folgender Erwägungsgrund hinzugefügt:

Recital on fuels and other technologies

Recital added:

(9a) Following consultation with stakeholders, the Commission will make a proposal for registering after 2035 vehicles running exclusively on CO2 neutral fuels in conformity with EU law, outside the scope of the fleet standards, and in conformity with the Union’s climate neutrality objective.

 
„Ich halte die Position für falsch. Wir sollte das Ziel der Klimaneutralität klar festlegen, aber nicht den Weg. Aus heutiger Sicht ist das Elektroauto die beste Möglichkeit für klimaneutrale Individualmobilität, aber das kann sich in den nächsten Jahren ändern. Niemand weiß, wie die Verfügbarkeit von synthetischen Kraftstoffen, aber auch die Verfügbarkeit von Batterien und den entsprechenden Rohstoffen im Jahr 2035 aussieht. Insgesamt hat Deutschland die Verhandlungen zum größten Klimaschutzpaket aller Zeiten erschwert. Beim Verbrennungsmotor hat die FDP monatelang tatenlos zugesehen, wie die zuständige grüne Ministerin Steffi Lemke für das Verbrenner-Aus eingetreten ist und ist erst kurz vor Toresschluss aufgewacht. Gleichzeitig hat Deutschland ein wichtiges Element des Klimaschutzpaketes torpediert nämlich den Klima-Sozialfonds. Es war eine Forderung aller pro-europäischen Parteien in Deutschland, dass wie in unserem Land ein Emissionshandel für Wärme und Straßenverkehr eingeführt wird. Von Anfang an war klar, dass dies nur zusammen mit dem europäischen Klima-Sozialfonds geht. Wir müssen einkommensschwachen Menschen, zum Beispiel in Rumänien und Bulgarien helfen, die Kosten zu verkraften und auch in Deutschland ist der Sozialausgleich nicht wirklich gut gelungen. Dass bei den Entlastungspaketen die Rentner bisher leer ausgehen, ist kein Ruhmesblatt und könnte durch den Sozialfonds geändert werden. Über die deutsche Position haben sich auch Netto-Zahler wie Niederlande und Österreich in Brüssel gewundert. Deutschland hat nicht nur die ärmeren EU-Länder, sondern auch die Netto-Zahler durch radikale Forderungen nach Kürzung des Klimasozialfonds auf unter 20 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorschlag der französischen Präsidentschaft von 59 Milliarden Euro massiv verschreckt und am Ende keinen Cent eingespart. Ich bin froh, dass die französische Präsidentschaft es trotz der chaotischen Haltung Deutschlands geschafft hat, das Klimapaket unter Dach und Fach zu bringen. Als Berichterstatter für den Emissionshandel freue ich mich auf die Trilog-Verhandlungen und hoffe, dass wir am Ende das Beste aus beiden Welten bekommen“, so Liese.


** Zur Information: Der angenommene Text zum 2035 Ziel **

 

Bisheriger Text
Kommissionsvorschlag

/

 

 

 

 

 

(b) the following paragraph 5a is inserted:

‘5a. From 1 January 2035, the following EU fleet-wide targets shall apply:

(a) for the average emissions of the new passenger car fleet, an EU fleet-wide target equal to a 100 % reduction of the target in 2021 determined in accordance with Part A, point 6.1.3, of Annex I;

(b) for the average emissions of the new light commercial vehicles fleet, an EU fleet-wide target equal to a 100 % reduction of the target in 2021 determined in accordance with Part B, point 6.1.3, of Annex I.