Ziel des weltweiten Entwaldungs-Stopps richtig, aber Kommission muss Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten verschieben und dann grundsätzlich überarbeiten


Ohne eine baldige Verschiebung des Inkrafttretens und eine Überarbeitung der aktuellen EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) droht für nachhaltig gewonnenes Holz aus Deutschland eine Verknappung mit schweren Folgen für Industrie und Verbraucher. D Peter Liese sprach bei einem Vor-Ort-Termin in Bestwig-Ostwig mit den Vertretern der Waldeigentümer Carl Anton Prinz zu Waldeck aus Bad Arolsen, Vorsitzender des Hessischen Waldbesitzerverbandes und gleichzeitig Vizepräsident der europäischen Waldbesitzervereinigung CEPF, Eberhard Freiherr v. Wrede aus Sundern-Amecke als stellv. Vorsitzender des Waldbauernverbandes NRW und Carl Ferdinand Freiherr von Lüninck.

Mit den neuen EU-Vorgaben dürfen ab 30. Dezember 2024 nur noch Soja, Ölpalme, Rindern, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz auf den EU-Markt gebracht werden, wenn Unternehmen nachweisen können, dass durch den Anbau keine Waldschädigung oder Entwaldung stattgefunden hat. Allerdings ist die Umsetzung dieser Sorgfaltspflichten technisch hochkomplex und gerade für Kleinbauern im Ausland und für kleine Waldbesitzer nicht oder kaum machbar. Die Regelungen gelten trotz bewährter heimischer nachhaltiger Waldwirtschaft auch für Landwirte, Waldbesitzer und Händler in Deutschland und bedeuten für Waldbesitzer wie auch Unternehmen einen unverhältnismäßig hohen Bürokratieaufwand.



Liese sicherte den Waldeigentümern daher Unterstützung für den Schutz der hiesigen nachhaltigen Waldwirtschaft zu. Seine Fraktion, die Europäische Volkspartei, deren umweltpolitischer Sprecher Liese ist, hat kürzlich eine Verschiebung und Überarbeitung der EUDR auf die Prioritätenliste für die neue EU-Kommission gesetzt. „Das Ziel, weltweit Entwaldung zu stoppen, ist richtig, aber die EU-Verordnung ist so nicht anwendbar. Es gibt Probleme mit Drittstaaten. Auch kleine Kaffeebauern in Ostafrika oder Mittelamerika, die sich vorbildlich verhalten, können den Anforderungen nicht nachkommen. Vor allem aber werden die deutschen Waldbauern mit bürokratischen Vorgaben belastet, die völlig unangemessen sind. In Deutschland und vielen weiteren europäischen Ländern gibt es keine Abholzung im Sinne der Verordnung. Deswegen sollten wir eine neue Kategorie schaffen, die ‚null Risiko‘ lautet und es sollte reichen, dass der Mitgliedstaat einmal im Jahr über seine nationale Gesetzgebung diesbezüglich berichtet. Für alle diese Änderungen brauchen wir Zeit. Auch deshalb muss das Inkrafttreten der Verordnung verschoben werden“, betonte Liese.

Carl Anton Prinz zu Waldeck und Pyrmont, Vizepräsident des europäischen Waldbesitzerverbandes (Confederation of European Forest Owners, CEPF), Mitglied im Präsidium der AGDW und Präsident des Hessischen Waldbesitzerverbandes machte beim Termin deutlich: „Unsere Wälder werden nachweislich nachhaltig bewirtschaftet und die Waldfläche hat in Deutschland zugenommen – dank der Arbeit engagierter Waldeigentümer. Sie mit weiteren bürokratischen Nachweis- und Dokumentationspflichten zu überziehen, wie es mit der EUDR droht, ist nicht nur überflüssig, sondern auch schädlich für den Wirtschaftsstandort Deutschland und gefährdet den Waldumbau im Zuge des Klimawandels. Angesichts des immer näher rückenden Endes der Umsetzungsfrist muss Brüssel die Notbremse bei der EUDR ziehen.“

Welche konkreten Auswirkungen in deutschen Regionen drohen, wenn die EUDR in ihrer jetzigen Form tatsächlich umgesetzt würde, verdeutlichte der stellvertretende Vorsitzende des Waldbauernverbandes NRW, Eberhard von Wrede. „Die weitreichenden technischen Pflichten, gepaart mit den unklaren Vorgaben aus Brüssel, überfordern die hiesigen Waldeigentümer, nicht zuletzt eine Vielzahl der kleineren Waldeigentümer in der Region. Ihnen droht ein Marktausschluss. Diese Waldeigentümer verfügen zwar oft nur über wenige Hektar Waldbesitz, sind aber für die Bereitstellung von nachhaltig erzeugtem Holz in der Summe sehr bedeutsam, gerade auch, wenn sie über Forstbetriebsgemeinschaften organisiert sind. Zu befürchten ist daher eine Holzverknappung zum Schaden von Industrie und Verbrauchern. Gerade bei uns in NRW sind mit Branchen wie Möbel- und Bauindustrie wichtige Nutzer des heimischen Rohstoffs angesiedelt. Auch sie gefährdet die EU-Kommission mit der EUDR in ihrer jetzigen Form.“


Hintergrund:
Was ist das Problem mit der Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten?
Schätzungen zufolge sind zwischen 1990 und 2020 420 Millionen Hektar Wald (eine Fläche größer als die EU) durch Entwaldung verloren gegangen. Der EU-Verbrauch macht etwa 10 % der weltweiten Entwaldung aus. Palmöl und Soja sind für mehr als zwei Drittel davon verantwortlich.

Am 17. November 2021 legte die Europäische Kommission daher einen Legislativvorschlag vor, der darauf abzielt, die Entwaldung und Waldschädigung einzudämmen, die durch die Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzflächen für die Produktion/Haltung von Rindern, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja und Holz entsteht und für den Verkauf in der EU gedacht sind.

Der Vorschlag würde Marktteilnehmer, die diese Rohstoffe und einige daraus hergestellte Produkte auf den EU-Markt bringen oder aus der EU exportieren, eine verbindliche Sorgfaltsplicht auferlegen (due diligence). Die Mitgliedstaaten wären für die Durchsetzung der Vorschriften und die Festlegung von Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung zuständig. Das Gesetz wurde noch erweitert und am 19. April 2023 vom EU Parlament angenommen.

Dabei ist das eigentlich gute Anliegen jedoch über das Ziel hinausgeschossen. Bei der Implementierung des Gesetzes treten nun zahlreiche Probleme auf. Probleme, denen die EVP entgegenwirken wollte, deren Lösungen jedoch im Europäischen Parlament von einer Ampel-Mehrheit nicht mitgetragen wurde. Wären diese Punkte angenommen worden, hätte es einige Herausforderungen so nicht gegeben.

1. Zu kurzer Umsetzungszeitraum für überkomplexe Regeln. Die neuen Regeln sollen schon ab 30. Dezember 2024 gelten, Unternehmen im In- und Ausland tappen jedoch bei den Details im Dunkeln. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen sowie Kleinbauern im Ausland ist es praktisch unmöglich, das hochkomplexe System umzusetzen. Über Geolokalisierung sollen Unternehmen z.B. Breiten- und Längenkoordinaten für die Herkunft ihrer Produkte bzw. der Komponenten erheben.

2. Technische Probleme. Die IT-Plattform, über die die Informationen erfasst werden sollen weißt außerdem viele technische Probleme auf.

3. Sinnloser Bürokratieaufwand für heimische Waldbauern. Dabei verfügen Mitgliedstaaten wie Deutschland über eine bewährte nachhaltige Waldbewirtschaftung, unterstützt durch geltende Bundes- und Landeswaldgesetze sowie verschiedene Zertifizierungssysteme.

4. Diplomatische Spannungen. Die Beschlüsse der EU belasten die ohnehin schon angespannten Beziehungen zwischen der EU und einiger Drittstaaten mit Blick auf die Klima- und Umweltpolitik. Regierungen, insbesondere aus Lateinamerika, Asien und Afrika, beschweren sich, dass die EU durch die Hintertür Umweltmaßnahmen in ihrer Jurisdiktion einführen will. Die Regeln seien belastend, ungerecht und würden Investoren abschrecken. Sie kritisieren, dass die EU Drittstaaten für die Entwaldungsverordnung in drei Kategorien einteilt: geringes Risiko, normales Risiko und hohes Risiko. Die Kommission hat die Einteilung daher zunächst ausgesetzt.