Preisrückgang beim ETS teilweise politisch gewollt / Mittelfristig Preise von 100€ oder deutlich darüber zu erwarten

„Das Problem ist nicht der ETS-Preis, sondern der Einbruch der Industrieproduktion in Deutschland und Europa“, dies erklärte der umweltpolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP, Christdemokraten) und Berichterstatter zur Reform des Emissionshandels Dr. Peter Liese angesichts der aktuellen Diskussionen um den Preis von Zertifikaten im Europäischen Emissionshandel. Angesichts eines leichten Rückgang des ETS-Preises im Vergleich zum letzten Jahr hatte z.B. die Direktorin für Europäische Angelegenheiten beim französischen Energieversorger EDF Marion Labatut gesagt , niedrige CO2-Preise verlangsamten die Dekarbonisierung des Elektrizitätssektors. Deswegen solle die Kommission vermeiden, noch mehr Zertifikate auf den Markt zu bringen.

Der ETS-Preis, der im letzten Jahr teilweise bei bis zu 100€ lag, ist zurzeit auf einem Niveau von ca. 70€. Damit liegt dieser wichtige Wert, der ein Preissignal für die Dekarbonisierung ist, aber immer noch deutlich über dem Niveau der letzten Jahre. Von 2012 bis 2018 war der Preis stabil unter 20€, zwischen 2018 und 2021 lag er sogar zwischen 20€ und 30€. „Lange Zeit galten 30€ als ein anzustrebender CO2-Preis. Wir liegen jetzt deutlich darüber. Das muss auch so sein, weil wir unser Ambitionsniveau deutlich erhöht haben. Aber es ist keinesfalls wünschenswert, dass der CO2-Preis schnell wieder über 100€ steigt“, bekräftigt Liese.

„Ein zu hoher ETS-Preis kann den Rückgang der Industrieproduktion in der Europäischen Union beschleunigen, weil Dekarbonisierung in der Industrie gar nicht so schnell funktioniert. Es gibt viele tolle Projekt in diesem Bereich, aber die meisten werden erst gegen Ende des Jahrzehnts soweit fortgeschritten sein, dass Industrieproduktion mit extrem niedrigen Emissionen oder komplett ohne Emissionen möglich sein wird. Wir brauchen aber keine Deindustrialisierung Europas, sondern eine Dekarbonisierung der Industrie. Erstens, weil wir sonst unseren Wohlstand verlieren und zweitens, weil wir sonst kein Vorbild für den Rest der Welt sind“, erklärte der Europaabgeordnete.

In den Verhandlungen zum Emissionshandel haben Liese und seine Fraktion deshalb darauf gedrängt, dass die wesentlichen Effekte der Verschärfung der europäischen Klimaziele erst ab 2027 eintreten. Der Rückgang der kostenlosen Zertifikate wird erst zu diesem Zeitpunkt beginnen und durch ein Frontloading von Zertifikaten und einen Eingriff in die Marktstabilitätsreserve werden kurzfristig bis 2027 mehr Zertifikate zur Verfügung gestellt. „Damit tragen wir dem Umstand Rechnung, dass Investitionen in erneuerbare Energien und die Umwandlung der Industrie Zeit brauchen und die diese Investitionen während der letzten zwei Jahre durch die Effekte des russischen Angriffskrieges und der Notwendigkeit, russisches Gas zu ersetzen, nochmals erschwert. Ein Teil des Preisrückgangs von 100€ auf 70€ war also politisch gewollt. Ein Problem besteht eben im Rückgang der Industrieproduktion. Wir müssen alle gemeinsam, also Mitgliedstaaten und Europäische Union, stärker darauf achten, dass die Industrie Rückenwind und keinen Gegenwind erhält. Dazu brauchen wir eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, z.B. für erneuerbare Energien und Wasserstoffprojekte, und keine zusätzlichen Belastungen der Industrie, z.B. durch Verbote von Chemikalien.“

„Langfristig wird der ETS Preis aber wieder auf 100€ und wahrscheinlich deutlich darübersteigen. Deshalb sollte sich niemand Illusionen machen: wer jetzt in saubere Technologien investiert, wird auf Dauer davon profitieren. Wer glaubt, er könnte auch in den nächsten Jahrzehnten einfach so weitermachen wie bisher, wird bestraft werden“, sagt der Berichterstatter des nach Einschätzung vieler größten Klimaschutzgesetzes aller Zeiten.

 

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