Peter Liese: Wir brauchen aber mehr Deal, weniger Bürokratie und mehr Technologieoffenheit

„Wir als Christdemokraten im Europäischen Parlament unterstützen nach wie vor den Kern des Green Deal. Insbesondere die Klimaziele für 2030 und das Ziel der Klimaneutralität für 2050 stehen nicht zur Disposition. Aber wir brauchen mehr Deal im Green Deal. Die Belange der Wirtschaft, insbesondere von Industrie, Landwirtschaft und Mittelstand müssen besser berücksichtigt werden. Der Green Deal muss mit weniger Bürokratie und mehr Technologieoffenheit umgesetzt werden“, bekräftige Liese, umweltpolitischer Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP, Christdemokraten). Ein wichtiges Symbol dabei ist die Technologieoffenheit bei der Dekarbonisierung von Autos, führt Liese weiter aus: „Die bestehende Gesetzgebung verlangt, dass bei neuen Autos ab 2035 kein CO2 mehr aus dem Auspuff kommen darf. Dies schließt de facto den Verbrennungsmotor aus, auch wenn er mit komplett klimaneutralen Kraftstoffen betrieben wird. Wir wollen dies ändern. Dazu reicht ein Delegierter Rechtsakt, den Verkehrsminister Wissing erzwungen hat, nicht aus, sondern man muss den Basisrechtsakt entsprechend anpassen.“

Noch wichtiger ist nach Lieses Ansicht aber die Rahmenbedingungen für die Industrie so anzupassen, dass sie wirklich in Klimaneutralität in Europa investieren können. „Wir haben bereits vor der Wahl ein Netto-Null-Industrie-Gesetz (Net Zero Industry Act) beschlossen. Hier geht es um Verfahrensbeschleunigungen für bestimmte Industriezweige, zum Beispiel für Batterien und Photovoltaikhersteller. Dieses Gesetz muss auf alle Industrien ausgeweitet werden, die dekarbonisieren wollen, zum Beispiel auch für die Stahlindustrie. Besonders wichtig ist, dass wir negative Emissionen in den Emissionshandel einbeziehen. Nach der gegenwärtigen Gesetzgebung sind die Ziele für die Industrie 2030 zwar sehr ambitioniert, aber machbar. 2039 wird es aber keine Zertifikate mehr im Emissionshandel geben und das kann Investitionen in klimafreundliche Fabriken sogar bedrohen, weil niemand weiß, was mit den sehr geringen Restemissionen passiert. Vor allem müssen wir aber unbedingt Anreize für die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre schaffen. Wir brauchen nach Ansicht aller Experten, z.B. auch des Weltklimarats, diese Technik in großem Stil, um auf Dauer die Pariser Klimaziele einhalten zu können. Wir können zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem wir negative Emissionen in den Emissionshandel miteinbeziehen. Es gibt heute schon Firmen, die die Entnahme von CO2 aus der Luft (Direct Air Capture) durchführen. Die Technologie ist aber noch sehr teuer und es gibt keine wirklichen Anreize dafür. Einbeziehung in den Emissionshandel könnte diese Anreize bringen und gleichzeitig Unternehmen ermöglichen, ihre sehr geringen Restemissionen zu kompensieren“, betonte Liese. Der Emissionshandel muss seiner Ansicht nach das Kernstück der europäischen Klimapolitik bleiben. „Sowohl für Industrie, Stromerzeugung, See- und Luftverkehr als auch für Straßenverkehr und Wärme gilt, alle anderen Instrumente sind teurer und führen im Detail zu sehr viel Ärger. Der Emissionshandel ist das einzige System, mit dem wir zu vertretbaren Kosten unsere Ziele erreichen können. Allerdings müssen die Mitgliedstaaten sehr viel stärker darauf achten, wie sie die Einnahmen aus dem Emissionshandel verteilen. Sie müssen gezielt an die Industrie und an Bürgerinnen und Bürger gehen, die mit der Transformation alleine überfordert wären“, betonte Liese.