Peter Liese und Stefan Köhler: Wir brauchen dringend eine Verschiebung und möglichst unbürokratische Umsetzung / Konstruktive Gespräche mit Drittstaaten ebenfalls unverzichtbar

„Die Verordnung der Europäischen Union zu entwaldungsfreien Lieferketten verfolgt ein sehr berechtigtes Ziel. Jede Minute verschwindet Wald im Umfang von elf Fußballfeldern. Das schadet dem Klima und beschleunigt das weltweite Artensterben. Aber die Art und Weise, wie die frühere EU-Kommission unter Federführung des Vizepräsidenten Frans Timmermans und des grünen Umweltkommissars Sinkevičius das Problem versucht hat zu lösen, führt ins Elend. Die Verordnung ist in ihrer gegenwärtigen Form ein bürokratisches Monstrum. Nicht nur Waldbesitzer, sondern auch Dutzende von anderen Branchen sind betroffen. Es geht um Landwirte, die Rinder halten, um die Möbelindustrie, um mittelständische Kaffeeröstereien und alle Industriebetriebe, die Holz, zum Beispiel als Verpackung, benutzen. Sie alle sollen nach jetzigem Stand ab 2025 genau darüber Buch führen, wie sie ihre Produkte z.B. Holz und Rindfleisch erzeugen und auch nachweisen, dass ihre Lieferanten, zum Beispiel Kaffee-Kleinbauern in Mittelamerika oder die heimischen Waldbesitzer, Kaffee bzw. Holz ohne Entwaldung produziert haben. In meinem Wahlkreis gibt es beispielsweise einen mittelständischen Kaffee-Röster, der seit über 30 Jahren fair gehandelten Bio-Kaffee produziert und gute Lieferbeziehungen nach Mittelamerika hat. Die Kleinbauern, die ihn beliefern und die vorbildlich wirtschaften, kommen mit dem Instrumentarium nicht klar. Es geht hier also keinesfalls darum, dass eine böse Industrielobby den guten Umweltschutz verhindern will, sondern um die berechtigte Suche nach einem machbaren Weg“, betonte Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP, Christdemokraten).

„Auch im Verhältnis zu Drittstaaten könnte sich ein Festhalten an dem jetzigen Zeitplan als kontraproduktiv erweisen. Selbst Vertreter von Umweltverbänden berichten mir, dass auch wohlmeinende Menschen in Brasilien entsetzt sind. In der Regierung Lula gibt es starke Kräfte, die die Abholzung des Regenwaldes zurückfahren wollen. Nach der gegenwärtig geplanten Umsetzung der EUDR würde aber die Regierung Lula und alle Menschen in Brasilien für die Abholzung unter Bolsonaro bestraft“, erklärte der CDU-Europaabgeordnete Liese.

„Deshalb brauchen wir erstens ganz dringend eine Verschiebung des Inkrafttretens. Niemand ist auf ein Inkrafttreten am 01.01. vorbereitet und es gibt sehr viel Unklarheit, wie die Regeln genau zu implementieren sind. Zweitens müssen wir in der Zwischenzeit überlegen, was angegangen werden kann, um die Bürokratie zu reduzieren und das Ziel wirklich zu erreichen. Ich würde mich sehr freuen, wenn das mit untergesetzlichen Regelungen, pragmatischer Auslegung und guter Information möglich wäre. Der sauberste Weg wäre aber eine Änderung der Gesetzgebung“, erklärte Stefan Köhler, CSU-Europaabgeordneter und Landwirt.

CDU/CSU-Abgeordnete haben bei der Erarbeitung der Verordnung zum Beispiel vorgeschlagen, eine Kategorie „ohne Risiko“ einzubauen. „In Ländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es nationale Gesetzgebungen, die eine Entwaldung wie in Brasilien oder Indonesien komplett ausschließen. Diese Länder sollten auf eine entsprechende Liste kommen und sowohl die Waldbauern als auch andere Wirtschaftsbeteiligte, die nur heimisches Holz oder heimisches Rindfleisch vermarkten, sollten von jeglichen Belastung ausgenommen werden,“ betonte Stefan Köhler.

Entsetzt zeigte sich Köhler über die Position der Sozialdemokraten, insbesondere der deutschen Sozialdemokraten. „Die deutsche Bundesregierung in Person des Bundeskanzlers Olaf Scholz und sogar in Person des grünen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir teilen unsere Position. Umso absurder ist es, dass die deutschen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament federführend bei der Ablehnung jeder Änderung oder Verschiebung sind. Ich finde es verrückt, dass in einem der wenigen Punkte, bei denen sich die Ampel einig ist, die deutsche SPD gegen die Position der Ampel arbeitet.“


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