Versorgung der Patienten in Europa und weltweit sicherstellen / Zusammenarbeit und Dialog - notfalls aber auch Plan B

"Das erste Medikament zur Behandlung von Covid-19 ist seit heute in Europa offiziell zugelassen. Die Europäische Kommission erteilte eine bedingte Marktzulassung für das Antivirusmittel Remdesivir den europäischen Markt". Darauf machte der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten), Dr. med. Peter Liese aufmerksam. Eine bedingte Marktzulassung bedeutet, dass das Medikament nach Einschätzung der Experten wahrscheinlich wirksam und nebenwirkungsarm ist, dass aber während der Behandlung weiterhin genau untersucht werden muss, ob diese Annahme stimmt. Um die Wirksamkeit und Sicherheit von Remdesivir besser belegen zu können, muss das Unternehmen die Abschlussberichte der Remdesivir-Studien bis Dezember diesen Jahres bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) einreichen.

Die Daten zu Remdesivir wurden in einer außergewöhnlich kurzen Zeitspanne durch eine so genannte „rolling review“ bewertet, ein Ansatz, den die EMA bei Notfällen im Bereich der öffentlichen Gesundheit anwendet, um die Daten zu bewerten, sobald sie verfügbar sind. "Die Krisenmechanismen für eine schnelle und trotzdem sichere bedingte Zulassung von Medikamenten in außergewöhnlichen Krisen wie dieser sind ein sehr wichtiges Instrument. Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass Remdesivir den Krankheitsverlauf abmildert, vielleicht sogar die Todesrate absenken kann und dass die Nebenwirkungen vertretbar sind", so der Arzt und die Europaabgeordnete.

Liese wies jedoch darauf hin, dass das Medikament nach der Marktzulassung nun auch den europäischen Patienten zeitnah und in ausreichender Anzahl zur Verfügung gestellt werden müsse. Besorgt zeigte er sich über Berichte, wonach die Vereinigten Staaten fast alle Bestände des Medikaments aufgekauft haben.

"Die Meldungen zeigen einmal mehr, dass wir alle notwendigen Anstrengungen unternehmen müssen, um den europäische Patienten Zugang zu Medikamenten gegen Coviod-19 zu ermöglichen. Die Firma Gilead kommt immer wieder mit Anliegen auf Abgeordnete im Europäischen Parlament und die Europäische Kommission zu und Remdesivir ist natürlich nicht das einzige Medikament, das sie herstellen. Ich habe der Firma ganz klar signalisiert: Sie können jetzt möglicherweise mit Remdesivir zwölf Monate lang ein sehr gutes Geschäft machen, aber wenn es dann einen Impfstoff gibt, und ich gehe davon aus, dass das durchaus in einem Jahr der Fall sein kann, dann muss die Firma wieder von ihren anderen Produkten leben. Die Frage, wie die europäischen Institutionen diese Firma sehen, hängt jetzt sehr davon ab, dass wir fair behandelt werden.

Ich halte es für notwendig, dass Gilead sein Wissen mit anderen Unternehmen teilt und diese auch als Wettbewerber in den Markt lässt, damit die Versorgung für eine möglichst große Zahl von Patienten weltweit gewährleistet ist. Wir setzen dabei auf Kooperation und Dialog. Das gilt auch für andere Medikamente oder einen Impfstoff. Sollte aber Gilead oder ein anderes Unternehmen nicht bereit sein, alles zu unternehmen, um die Versorgung in der EU und in der ganzen Welt sicherzustellen, haben wir auch einen Plan B. Es ist möglich, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsam Zwangslizenzen erteilen, das heißt auch gegen den Willen von Gilead die Herstellung des Medikamentes in der EU durch andere Firmen ermöglichen, und wir ziehen auch handelspolitische Maßnahmen in Erwägung. Dieses Vorgehen hat meine Fraktion in einem Papier zur Gesundheitspolitik diese Woche einstimmig beschlossen“, so Liese.