Alle Beteiligten müssen über ihren Schatten springen / Europäische Partner drängen Deutschland zur Laufzeitverlängerung bei Kernkraftwerken / Ministerrat sollte Vorschläge des Parlaments zu Emissionshandel übernehmen, um auf Krise zu reagieren / Hitzewelle zeigt Notwendigkeit von Klimaschutz


„Wir brauchen längere Laufzeiten für Atomkraftwerke und konkrete Sparmaßnahmen wie z.B. kürzeres Duschen“, dies erklärte der umweltpolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament Dr. Peter Liese (EVP, Christdemokraten).

„Es vergeht praktisch kein Tag, an dem Kollegen aus anderen europäischen Ländern mich nicht verwundert fragen: ‚Warum schaltet ihr gerade in dieser Phase eure Kernkraftwerke ab?‘ Und ich finde sie haben Recht. Mit Überzeugung habe ich letzte Woche gegen die Taxonomie gestimmt, die Kernkraft als grün labelt. Kernenergie ist nicht nachhaltig. Aber die Krise ist so gewaltig, dass wir jede Maßnahme ergreifen müssen. Wenigstens die drei Kraftwerke, die jetzt laufen, müssen uns in den nächsten zwei Wintern Strom liefern. Ich glaube sogar, dass es notwendig wird, die drei Kraftwerke, die am 01. Januar diesen Jahres vom Netz genommen wurden, weiterlaufen zu lassen. Andernfalls belasten wir auch den Markt in unseren Nachbarländern, weil wir nach wie vor Gas zur Stromerzeugung benutzen. In den Niederlanden wird ernsthaft überlegt, ein Gasfeld in Groningen wieder in Betrieb zu nehmen, obwohl dort ernsthafte Schäden durch Erdbeben zu erwarten sind. Angesicht der Krise werden die Niederländer dies wohl in Kauf nehmen. Dann müssen auch wir das begrenzte Risiko einer verlängerten Laufzeit in Kauf nehmen. Strom aus Kernkraftwerken kann nicht nur Gas bei der Stromerzeugung ersetzen, es gibt auch eine Reihe von Prozessen in der Industrie, bei denen Strom Gas ersetzen kann und wenn es hart auf hart kommt, müssen wir eben auch mit Strom heizen. Ich glaube viele, die noch immer an der Ideologie festhalten, haben den Ernst der Lage nicht erkannt“, erklärte der umweltpolitische Sprecher und CDU-Abgeordnete und weiter: „Auf der anderen Seite plädierte Liese auch dafür, dass andere Maßnahmen stärker in den Blick genommen werden. Die Situation ist so dramatisch, dass Sparmaßnahmen ernsthaft erwogen werden müssen. Alle müssen raus aus den Schützengräben und es darf keine Tabus geben.“


„Das Europäische Parlament hatte bei der Gesetzgebung zum Emissionshandel schon auf die Krise reagiert. Im Gegensatz zum Ministerrat haben wir das Ambitionsniveau beim Emissionshandel für die Jahre 2022-2026 abgesenkt. Damit wollen wir der Tatsache Rechnung tragen, dass die Preise auch im Stromsektor enorm hoch sind und wir zurzeit auch mehr Kohle verbrennen müssen, um russisches Gas zu ersetzen. Wir wollen aber diese zusätzlichen CO2-Emissionen, die jetzt entstehen, überkompensieren und daher das 2030-Ziel erhöhen. Dieses Ziel ist auch besonders wichtig für die internationale Debatte, denn praktisch alle wesentlichen Emittenten haben sich bei ihren Verpflichtungen am 2030-Ziel orientiert. Die derzeitige Hitze in Deutschland und vielen Teilen der Welt zeigt, wie wichtig Klimaschutz ist. Aber es zählt vor allem das globale Handeln. Wenn wir also bis 2030 den Ausbau erneuerbarer Energien und die Energieeffizienz deutlich steigern, aber in den nächsten vier Jahren der Industrie und den Verbrauchern etwas mehr Luft zum Atmen geben, dann ist das genau die richtige Antwort auf die jetzige Situation. Kurzfristig brauchen wir Kohle, Kernenergie und alle erdenklichen Maßnahmen zum Energiesparen. Mittel- und langfristig sind Energieeffizienz und erneuerbare Energien die einzige sinnvolle Lösung“, so Peter Liese.