Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
Partnerschaft statt EU-Beitritt
Die CDU/CSU-Gruppe im europäischen Parlament setzt sich dafür ein, Länder aktiv bei ihrer demokratischen Entwicklung zu unterstützen. Die EU-Mitgliedschaft kann aber nicht in jedem Fall Antwort auf den Wunsch nach einer europäischen Perspektive sein. Für den Beitritt zur EU ist die Erfüllung des Kriteriums der Aufnahmefähigkeit der EU ebenso wichtig wie die vollständige Erfüllung aller politischen und wirtschaftlichen Kriterien durch das Bewerberland.
Die CDU/CSU-Europaabgeordneten lehnen eine Vollmitgliedschaft der Türkei ab und plädieren für eine privilegierte Partnerschaft oder eine multilaterale Beziehung nach dem Beispiel des europäischen Wirtschaftsraums.
Gründe, die gegen den EU-Beitritt sprechen:
Seit einigen Jahren liegen die demokratischen Fortschrittsbemühungen der Türkei auf Eis. Angekündigte Reformen werden nur selten in die Realität umgesetzt. Das Land distanziert sich Schritt für Schritt von den Prinzipien der EU-Wertegemeinschaft. Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit finden de facto kaum mehr statt und werden nicht erst seit den jüngsten Unruhen in Istanbul und anderen Städten massiv verletzt. Aktuell ist die Türkei im weltweiten Vergleich dasjenige Land mit den meisten inhaftierten Journalisten. Studenten, Gewerkschafter und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen werden wegen regierungskritischer Äußerungen sogar nach dem Anti-Terrorgesetz angeklagt und verurteilt.
Überdies erkennt die türkische Regierung den EU-Mitgliedstaat Zypern nicht an, boykottierte die zypriotische Ratspräsidentschaft und weigert sich weiterhin, die vereinbarte Zollunion gegen Zypern umzusetzen.
Die Ratifizierung eines Rücknahmeabkommens mit der EU, das helfen könnte, illegale Massenzuwanderung über das Hoheitsgebiet der Türkei in die EU zu bekämpfen, wurde von der türkischen Regierung hinausgezögert, um im Gegenzug die Befreiung von der Visumspflicht für die Einreise in die EU zu erzwingen.
Die extremen strukturellen Entwicklungsunterschiede innerhalb des Landes - wenigen florierenden Metropolen stehen fast unüberbrückbare Gegensätze zum ländlichen Raum gegenüber - würden allein in der nächsten Förderperiode zusätzlich etwa EUR 140 Mrd. EU-Strukturgelder erfordern. Dies entspricht gut 40 Prozent der für die EU-Strukturförderung in der nächsten Haushaltsperiode insgesamt veranschlagten Gelder. Damit wären die infrastrukturellen und sozialen Angleichungen aber nicht einmal in Ansätzen hergestellt. Eine europäisch finanzierte Regionalförderung in der Türkei wäre eine 'never-ending story' auf einem immer höheren finanziellen Niveau.
Angesichts dieser und weitere Kritikpunkte sprachen sich die CDU/CSU-Abgeordneten in einer Plenarabstimmung mehrheitlich gegen die Eröffnung weiterer Verhandlungskapitel aus. Stillstand bei den demokratischen Reformen soll nicht auch noch belohnt werden!
Stimmungslage in Deutschland:
Im Übrigen bewerten die Deutschen eine Aufnahme der Türkei in die EU deutlich kritischer als noch vor einigen Jahren. Im Jahr 2023 gaben 46 Prozent der Befragten in Deutschland an, dass die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beendet werden sollten (© Statista 2024).