Zumindest bei Arzneimittelknappheit ist der Protest berechtigt / Sehr ärgerlich für Apothekenmitarbeiter, katastrophal für die Patienten

Anlässlich des bundesweiten Protesttages der Apotheken, der am morgigen Mittwoch, den 14. Juni stattfindet, erklärte der südwestfälische CDU-Europaabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten), Dr. med. Peter Liese: „Ich kann den Ärger der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Apotheken verstehen. Die Knappheit von Arzneimitteln für Kindern sowie Medikamenten für Herz- und Krebspatienten ist ein Skandal in einem reichen Land wie Deutschland. Sie führt zu erheblicher Mehrarbeit in den Apotheken, weil ständig nachgefragt werden muss, welches Medikament eingesetzt werden kann und weil aufwendig Rezepturen hergestellt werden müssen, indem man zum Beispiel Tabletten in Lösungen umwandeln, die für Kinder zu nutzen sind“, so der Arzt und Europaabgeordnete.

„Das Problem der Knappheit von Arzneimitteln hat sich in den letzten Monaten dramatisch zugespitzt. Fachleute warnen schon seit Jahren davor, deshalb habe ich bereits 2019 im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit im Europäischen Parlament den Antrag gestellt, dass wir uns damit systematisch auseinandersetzen. Leider wurde viel zu wenig auf meine Warnungen gehört. Die anderen Fraktionen hatten zunächst gesagt, andere Themen wie der Green Deal seien zu wichtig, deshalb habe man für so ein Thema keine Zeit. Seit einigen Wochen wird auf allen politischen Ebenen gehandelt, aber das Problem ist über Jahre entstanden und kann nicht innerhalb von wenigen Wochen gelöst werden.

Ich unterstütze die Entscheidung der NRW-Landesregierung, Arzneimittel, die formal in Deutschland nicht zugelassen sind, aber den Kriterien entsprechen, aus anderen Ländern ins Land zu holen. Ich halte auch zumindest im Ansatz den Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach richtig, bei bestimmten Arzneimitteln einen Zuschlag zu zahlen und dies in den Ausschreibungen zu berücksichtigen, wenn in der EU produziert wird. Die Europäische Kommission hat mittlerweile einen Vorschlag zur Reform des Arzneimittelrechts gemacht, der zumindest teilweise auch dieses Problem angeht. Das alles reicht meiner Ansicht nach nicht aus.

Wir müssen an die Wurzel des Übels, nämlich, dass es in den letzten Jahren bei der Arzneimittelpolitik praktisch nur ums Geld ging. Ich habe selbst als Arzt in einer Landarztpraxis in Ramsbeck erlebt, dass man wegen 2 oder 3 Cent für ein Antibiotikum telefonieren musste, um die Genehmigung einzuholen. Wir brauchen bei den Ausschreibungen ein klares Kriterium, das die Sicherheit der Lieferketten in den Blick nimmt und Hersteller, die dies gewährleisten, indem sie vorzugsweise in der EU produzieren, bevorzugt. Herr Lauterbachs Vorschlag ist in dieser Hinsicht Stückwerk, weil er sich nicht auf alle kritischen Arzneimittel bezieht und weil er vor allen Dingen nicht europäisch abgestimmt ist.

Die Krankenkassen mahnen zurecht, dass sich wahrscheinlich kaum einen Arzneimittelhersteller findet, der neue Fabriken in Europa baut, wenn nur Deutschland bei einigen Arzneimitteln die Ausschreibungskriterien ändert. Das muss zumindest von allen großen europäischen Ländern so gemacht werden. Das Problem ist, dass Herr Lauterbach nicht dafür bekannt ist, sich mit anderen abzustimmen, was aber unverzichtbar ist, wenn man in Europa erfolgreich sein möchte. Ich finde es bedauerlich, dass die Apothekerinnen und Apotheker ihre zumindest teilweise berechtigten Anliegen auch auf dem Rücken der Patienten austragen. Ich hoffe es wird sehr bald eine Lösung gefunden.“ so Liese abschließend.