Eine aktuelle Umfrage der Unternehmensplattform MedicalMountains gemeinsam mit dem Industrieverband SPECTARIS und der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter rund 400 Unternehmen benennt erstmals die konkreten Probleme der EU-Medizinprodukteverordnung: Aufgrund langwieriger und kostenintensiver Zertifizierungsprozesse verschwinden immer mehr Produkte vom Markt. Gleichzeitig wird der Innovationsstandort Deutschland empfindlich geschwächt. Peter Liese (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, und Angelika Niebler (CSU), Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe und Vorsitzende der CSU-Europagruppe, listen zehn konkrete Punkte auf (s. Anlage), die aus ihrer Sicht dringend geändert werden müssen.
 
 
Peter Liese (CDU:
„Die Intention der Medizinprodukteverordnung war richtig. Es gab zu viele Skandale, zum Beispiel um schadhafte Brustimplantate, aber die Institutionen der Europäischen Union haben über das Ziel hinausgeschossen. Es gibt nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch viel unnötige Bürokratie. Deswegen habe ich mich Ende letzten Jahres nochmal persönlich an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gewandt mit der Bitte, so schnell wie möglich Abhilfe zu schaffen.
Die Regeln, die wirklich die Sicherheit der Medizinprodukte gewährleisten, sollten natürlich erhalten bleiben. Was wir streichen müssen, ist die unnötige Bürokratie. Wir brauchen Sonderregelungen für die Produkte, die nur in kleiner Stückzahl hergestellt werden. Hier kann zum Beispiel die Orphan-Device-Regulierung, die in den USA gilt, ein Vorbild sein. Außerdem müssen wir unbedingt die Regeln so ändern, dass auch neue Medizinprodukte schnell auf den Markt kommen. Die Abschaffung der fünfjährigen Rezertifizierung für Produkte, die bereits lange auf dem Markt sind, ist essentiell, damit sich die Fachleute auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren können."


 
 
Angelika Niebler (CSU):
„Patientensicherheit ist ein hohes Gut. Wir können nicht zulassen, dass die Forschung und die Herstellung von Medizinprodukten ins Ausland abwandern, weil die Zertifizierung in der EU zu bürokratisch ist. Europa muss als Innovationsstandort attraktiv für Medizinproduktehersteller bleiben. Es ist unsinnig, an einem bürokratischen Zertifizierungssystem festzuhalten, das dazu führt, dass Hersteller ihre Medizinprodukte bei der FDA in den USA anmelden. Wir vertreiben damit unsere hochinnovativen mittelständischen Betriebe aus der EU und riskieren gleichzeitig, dass die Patientensicherheit gefährdet wird. Eine solche innnovationsfeindliche Politik muss korrigiert werden. Wir müssen jeden einzelnen Artikel der Medizinprodukteverordnung auf den Prüfstand stellen. Es geht darum, Leben zu retten.“
 
Hintergrund:
Seit dem 26. Mai 2021 gilt die EU-Medizinprodukteverordnung, die den entsprechenden Unternehmen erhebliche, zum Teil sehr bürokratische und teure Auflagen macht. Für Anbieter von Geräten, die nur in kleinen Stückzahlen hergestellt werden, lohnt sich der Aufwand nicht. Laut der Umfrage sind in rund 90 Prozent der Fälle die Zertifizierungskosten schuld daran, dass Medizinprodukte vom EU-Markt genommen werden. Die Zulassungsdauer habe sich für viele Betriebe drastisch verlängert. 37 Prozent der Unternehmen gaben an, die Verfahrensdauer sei dreimal so lange wie vor der MDR. Diese Entwicklung führt mit dazu, dass mehr als jedes fünfte Unternehmen mit medizintechnischen Innovationen auf andere Märkte ausweicht - meistens in die USA, so die Umfrage. Nach Ansicht von Experten, zum Beispiel Kinderkardiologen, ist aufgrund dessen die medizinische Versorgung in diesem Bereich in Europa in Gefahr. Nach Monaten des intensiven Drängens hat die Kommission dann Anfang 2023 endlich eine Fristverlängerung für die Rezertifizierung sowie eine längere Gültigkeit bereits vergebener Zertifikate vorgeschlagen. Im Dezember 2023 hat das Plenum mit einem entsprechenden Antrag (Punkt 97) die Kommission nochmals dazu aufgefordert, endlich grundsätzliche Lösungen für die Medizinprodukteverordnung vorzulegen.

10 Forderungen für die Änderung der Medizinprodukteverordnung