Mehr Patientensicherheit ohne unnötige Bürokratie für heimische Unternehmen

Peter Liese im Gespräch mit heimischen Medizinprodukteherstellern und der AOK

Soest/Geseke/Arnsberg/Wickede/Olpe - Das Europäische Parlament zieht Konsequenzen aus Skandalen im Medizinprodukte-Bereich. Medizinprodukte umfassen so unterschiedliche Geräte wie einen Holzspatel, Blutzucker- und HIV-Tests oder Herzschrittmacher. In den vergangenen Jahren war es bei einigen Produkten zu großen Schwierigkeiten gekommen.

So wurde zum Beispiel festgestellt, dass die französische Firma PiP zehntausende schadhafte Brustimplantate auf den Markt gebracht hat, wodurch tausende Frauen dramatische medizinische Schäden erlitten haben. Nach der Zertifizierung durch den TÜV Rheinland hatte die Firma entgegen der Regeln hochwertiges medizinisches Silikon durch minderwertiges Industriesilikon ersetzt. Der TÜV war vor kurzem in einem Prozess freigesprochen worden, weil nach damaliger Rechtslage kein Fehlverhalten vorlag. "Dies zeigt, dass die Rechtslage unbedingt angepasst werden muss", so der Dr. Peter Liese.

Ähnliche Probleme hat es auch bei Hüftimplantaten und HIV-Tests gegeben. "Nach Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts, einer Behörde, die dem Gesundheitsministerium untergeordnet ist, war über viele Jahre ein HIV-Test auf dem Markt, der viel häufiger als andere falsche negative Ergebnisse anzeigte. Das heißt, es lag ein HI-Virus vor, der Test sagte aber, dass kein Virus vorliegt. Mit solchen Betrugsfällen und Schlampereien auf Kosten der Patienten soll nun Schluss sein", so Liese weiter.

Das Europäische Parlament wird am kommenden Dienstag in Straßburg zwei Gesetzgebungsvorschläge annehmen, die die Kontrollen in Europa nachhaltig verschärfen. Peter Liese, der als sogenannter Berichterstatter die Gesetzgebung für den Teil der Diagnostika koordiniert und als gesundheitspolitischer Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP- Christdemokraten) auch für das zweite Gesetzgebungspaket mitverantwortlich ist, erklärte: "Der wichtigste Punkt ist, dass in Zukunft unangemeldete Kontrollen durchgeführt werden. Dadurch werden schwarze Schafe entdeckt und alle wissen, dass Schlamperei und Betrug nicht mehr ungesühnt bleiben. Außerdem führen wir einen Implantat-Ausweis ein. Damit weiß jeder Patient, welches Implantat von welcher Firma ihm eingesetzt wurde. Wir wollen mit diesem Ausweis Fälle wie den einer dänischen Klinik verhindern, in der tausende von Frauen Brustimplantate erhielten. Nachdem die Firma aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen wurde, wurde der Skandal um PiP bekannt, die Frauen wussten aber nicht, ob sie PiP-Implantate oder andere hochwertige Implantate erhielten", so Liese.

Im Vorfeld der Ausarbeitung des Vorschlags hat Peter Liese intensiv mit den betroffenen Unternehmen aus der Region gesprochen. Medizinproduktehersteller wie die Firma Schmitz und Söhne aus Wickede, Schulte Elektronik aus Olsberg, COMED aus Soest und ProGenom aus Geseke empfingen den CDU-Gesundheitsexperten zu Gesprächen. Der Olper IG-Metallchef Georg Keppeler, Mitglied im Aufsichtsrat des AOK-Bundesverbandes, kam mit der Führungsspitze des AOK-Bundesverbands eigens nach Brüssel, um die Sicht der Krankenkassen vorzutragen. Aus Sicht der Unternehmen war es besonders wichtig, dass bei aller Notwendigkeit der Verbesserung des Systems keine unnötige Bürokratie für diejenigen Unternehmen aufgebaut wird, die sich bislang nichts zuschulden kommen ließen.

Die Unternehmen aus Südwestfalen und ganz Deutschland lehnten vor allen Dingen den Vorschlag der sozialdemokratischen Abgeordneten Dagmar Roth-Behrendt ab, die für den zweiten Gesetzgebungsvorschlag (Medizinprodukte) als Berichterstatterin die Arbeit des Parlaments koordinierte. Dagmar Roth-Behrendt hatte vorgeschlagen, das bisherige System, dass Medizinprodukte von sogenannten benannten Stellen wie dem TÜV zertifiziert werden, komplett abzuschaffen und Medizinprodukte genau wie Arzneimittel einer staatlichen Vorabzulassung zu unterziehen. Für bestimmte Produkte sollte sogar nur noch die europäische Arzneimittel-Agentur in London eine Zulassung erteilen können.

"Dies wäre für viele mittelständische Unternehmen praktisch unmöglich gewesen", so Liese. "Eine staatliche Vorabzulassung ist auch nicht unbedingt sicherer als die Zertifizierung durch benannte Stellen wie den TÜV. Bei Medikamenten existiert ein staatliches Zulassungssystem und trotzdem kommt es immer wieder zu Skandalen. Deshalb bin ich froh, dass es uns gelungen ist, einen sinnvollen Kompromiss zu finden. Die Aufgabe verbleibt bei den benannten Stellen. Aber sie werden sehr viel strenger kontrolliert. Für bestimmte besonders riskante Produkte wie Herzschrittmacher gibt es in begründeten Verdachtsfällen eine zusätzliche Prüfung durch eine europäische Expertengruppe", so der Arzt und Europaabgeordnete weiter.

"Unser modernes Gesundheitswesen ist ohne leistungsfähige Medizinprodukte nicht denkbar. Die Hersteller tragen mit ihren Produkten zu mehr Patientennutzen und mehr Lebensqualität bei. Für Hochrisikoprodukte brauchen wir jedoch strengere Regeln als bisher für die Markteinführung. Ein CE-Kennzeichen, das auch jedes Spielzeug bekommt, reicht für Hüftprothesen nicht aus. Der vorliegende Vorschlag stellt eine wesentliche Verbesserung zur jetzigen Situation dar. Diesen Weg zu mehr Patientensicherheit müssen wir konsequent weitergehen", so Evert Jan van Lente vom AOK-Bundesverband, der eigens zu einem Gespräch mit Peter Liese nach Arnsberg-Hüsten gekommen ist.

Bei der Firma Trilux  die hochwertige Medizintechnik für OP, Intensivpflege und Normalpflege fertigt,  tauschten sich die Firmen aus der Region und der Experte des AOK-Bundesverbandes mit Peter Liese über die letzten Einzelheiten vor der Abstimmung im Europäischen Parlament aus. Die Medizinproduktehersteller Ludolf Schmitz von der Firma Schmitz u. Söhne GmbH aus Wickede, Rafael Muñoz-Navarro und Laurent Vermeersch von der Firma Trilux Medical GmbH & Co. KG sowie Johannes Huxol von TRILUX GmbH & Co. KG aus Arnsberg-Hüsten sowie gaben Liese noch sehr wertvolle Hinweise für die Abstimmung mit auf den Weg.